Verlassene Chemiefabrik

Polen, Januar 2024

Bei meiner Fahrt nach Polen wurde ich auf diese verlassene Chemiefabrik in der Nähe von Łódź aufmerksam.

Die Fabrik "akłady Włókien Chemicznych" (Dt. Chemiefaseranlage) war eine Fabrik am Nordöstlichen Stadtrand von Tomaszow. Wenn man von Łódź aus am Bahnhof ankommt, geht man am Bahnsteig ganz nach Rechts (Nordwesten). Hier befindet sich ein kleiner Trampelpfad über die Gleise. Alternativ gibt es auch eine Unterführung bei der Most kolejowy. Ein kleiner Pfad am Ostufer der Czarna (Schwarzer Fluss) führt zu einem Steg, von welchem man auf eine Wiese gegenüber des Bahnhofs gelangt. Hier befindet sich ein Umspannwerk, von welchem aus eine Straße auf das Werksgelände führt. Ich habe den Pfad auf Openstreetmap eingezeichnet.

Die "Tomasz'w Factory of Artificial Silk" wurde 1912 offiziell eröffnet und produzierte auf 49 ha als größte Fabrik der Stadt Tomaszow Mazowiecki und seit 1973 als größte Fabrik im Raum Łódź künstliche Seide und andere Kunstfasern. Nach 1945 während der kommunistischen Ära Polens wurden hier Isolierplatten für sowjetische U-Boote hergestellt.

Die ehemaligen Büroräume der von den einheimischen "Wisdom" genannten Fabrik stehen heute großteils leer, von einem alten Verbandskasten blättert die Farbe. Im zweiten Weltkrieg wurde die Fabrik durch Bombardierung durch die Nazis teils beschädigt, jedoch schnell wieder aufgebaut und operierte unter dem Namen "Tomaschower Glanzstoff-Fabrik GmbH". Zu dieser Zeit arbeiteten hier ca. 1500 Menschen.

Ein leerer schwerlast-Aufzugschacht führt in die oberen Stockwerke, die Zugang ist jedoch vermauert und das Klettern war mir zu riskant. Deshalb ging ich weiter und erkundete ein anderes Gebäude.

Nach dem Niedergang der Sowjetunion 1989 ging die Fabrik 1994 konkurs und wurde wie viele andere Fabriken der Region geschlossen. Nach einem gescheiterten Verkauf 1999 begannen erste Plünderungen des Geländes. Alte Dokumente liegen am Boden verstreut zwischen den Trümmern.

Der Schornstein im Zentralen Teil des Geländes ist mit 160 Metern zwar nur gut halb so hoch wie der höchste Schornstein Polens, dafür aber das höchste Gebäude im Gebiet von Tomaszow Mazowiecki.

Lokale Graffiti-Künstler nutzen die verbleibenden Gebäude als Testgelände für ihre neuesten Werke. Im Sommer finden in den dunklen, tristen Mauern häufig Livemusik und (illegale) Partys statt. Jede mehrstöckige Struktur beherbergt eine neue Überraschung, erstaunliche Graffiti, alte Maschinen oder Bäume, die aus dem Inneren eines Gebäudes wachsen.

Der 160m hohe Schornstein wurde nach der Stilllegung genutzt, um illegal Müll zu verbrennen. Desweiteren wurden Urban-Explorer auf das Objekt aufmerksam. Die Außenleiter ist bis auf die untersten 2 Meter vollständig erhalten und wird gerne zum Klettern auf den Schornstein verwendet. Von innen ist der Schornstein pechschwarz.

Nach dem Verkauf des Geländes an eine private Investmentfirma passierte lange nichts, doch es kam immer wieder zu Unfällen von Personen, welche das Gelände erkundeten, oder auf die Schornsteige kletterten. Neben den maroden Gebäuden gibt es auf dem Gelände mehrere nicht abgedeckte Schächte. Ich bitte jeden darum, beim Erkunden verlassener Orte besonders vorsichtig zu sein.

Eine alte Atemschutzmaske liegt am Boden, das Gelände ist bis heute belastet und wurde nur in Teilen gereinigt. Im Jahr 2000 wurde das Gelände aufgeteilt und teilweise verkauft. Die Stadt Łódź richtete eine 8 ha große Sonderwirtschaftszone ein.

Manche Gebäude wurden renoviert, andere abgerissen und auf den Flächen entstand ein neues Gewerbegebiet. Zwischen den neuen Firmen stehen die Ruinen der alten Fabrik und alte Maschinen wie dieser alte vor sich hin rostende Förderkran.

Nachdem im Oktober 2016 der obere Teil einer der Schornsteine herab fiel, wurde begonnen, baufällie Schornsteine zu sprengen. Zwei große und ein kleiner Schornstein stehen bis heute. Einer der großen und der kleine Schornstein werden als Funkmasten verwendet

Zum Schluss habe ich noch den südöstlichen Teil des Geländes erkundet. Das meiste wurde bereits geplündert. DIese ehemalige Produktionshalle wurde bis auf die Grundmauern geplündert.

Vor allem im Südostlichen Teil des Geländes holt sich die Natur das Areal immer weiter zurück. In diesem Bereich "stehen" noch die meisten alten Gebäude. Dazwischen wurde illegal Müll entsorgt. Es ist zu erwarten, dass auch dieses Areal bald dem Gewerbegebiet weichen wird.


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