Sightseeing in Chisinau

Moldawien, Januar 2023



Nach einer angenehmen Fahrt in einem alten sowjetischen aber gut gepflegten Nachtzug aus Buzau kam ich am Morgen entspannt in Chisinau an. Am Horizont tauchten immer höher werdende Plattenbauten auf und das Treiben in den Abteilen wurde reger. Kinder standen mit der Nase an der vereisten Fensterscheibe und der Duft von Orangen und frisch gekochtem Kaffe verbreiteten sich im Gang zwischen den Abteilen. Überall wurden gemütlich die Taschen gepackt, noch schnell die Zähne geputzt oder gefrühstückt. Das Rattern des so weich wie ein LKW-Fahrersitz gefederten Zuges wurde langsamer und nach wenigen Minuten fuhren wir in den saubersten Bahnhof ein, den ich je in Osteuropa je gesehen habe. Ein gläsernes Tonnengewölbe umfasst den Marmorboden der weihnachtlich geschmückten Empfangshalle und aus Lautsprechern ertönt weihnachtsliche Musik.
Ich hatte Glück, dass trotz Weihnachtsferien die Wechselstube offen hatte und konnte etwas Geld direkt am Bahnhof wechseln. Der Kurs am Bahnhof ist nicht ganz so gut, aber man kann ja nur ein bisschen wechseln und dann in der Innenstadt mehr. Als erstes fuhr ich zum Valea Morilor See, im gleichnahmigen Stadtpark südwestlich des Zentrums. Die Hauptbuslinien in Chisinau fahren schon seit Jahrzehnten elektrisch mit Oberleitungen. Es kommt alle paar Minuten ein Bus und man zahlt direkt beim Fahrkartenverkäufer, der in jedem Bus mitfährt. Eine Fahrt kostet 6 Moldawische Lei (Stand 2023). Im Startpark suchte ich die Statue des kleinen Prinzen, um dort zu frühstücken. Die Statue befindet sich am Nordufer des Sees auf dem Geländer und ist die kleinste Statue des Landes.
Nach dem Frühstück fuhr ich zum Jüdischen Friedhof. Jüdische Friedhöfe sind meiner Meinung nach sehr besondere Orte, da im Judentu Gräber nicht aufgegeben werden dürfen. Da Gräber für die Ewigkeit sind, gibt es entsprechend viele alte Gräber, teils halb verfallen, mit Schlingpflanzen überwuchert direkt neben frisch gepflegten Gräbern. Krähen hausen in den hohen Bumwipfeln und fliegen krächzend über die Gräber. Es ist ein besonderes Erlebnis, so in die Jüdische Geschichte des Landes eintauchen zu können.
Chisinau ist eine Stadt der Widersprüche, des Verfalls und des Lebens, der Aufbruchs und des Niedergangs, neben hochmodernen Shopingmalls stehen längst verlassene Gebäude, so wie auch mein nächstes Ziel, der ehemalige Staatszirkus aus der Sowjetzeit. Das Gebäude strahlt zwar noch den Glanz der damaligen Zeit aus, man kann sich regelrecht vorstellen, wie sich hier die Familien mit ihren Kindern versammelten, um an einem sonnigen Wintertag eine der vielen bunten Shows zu genießen. Man sieht jedoch auch den Zahn der Zeit, der das Gebäude langsam aber sicher zernagt. Die Stadt möchte das Gebäude wieder in seiner ehemaligen Pracht restaurieren, aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg.
Ich bleibe gleich beim Thema Vergnügung, diesmal in Form eines ganzen Vergnügungspark. Ja, ihr habt richtig gehört. Im Stadtpark "Valea Trandafirilor, welcher in ca. 15 Minuten per Bus vom Zentrum aus erreichbar ist, gibt es einen ganzjährigen Freizeitpark (Parc de distractii). Dieser ebenfalls aus sowjetzeiten stammende bunt gestrichene Park enthält zahlreiche Fahrgeschäfte, wie Autoscooter, mehrere Karusells, eine Parkeisanbahn und sogar ein Riesenrad, baugleich dem Riesenrad, welches auch in Prypjat bei Tschernobl steht bzw. welches ich auch bereits in Städten wie Bender und Baikonur gesehen habe. Jedoch ist hier eine entscheidende Sache anders: Das Rad funktioniert noch und so habe ich mich gewagt und eine Runde mit dem wohl um die 60 Jahre altem Riesenrad gedreht.
Auf dem Rückweg vom Park viel mir dieses Wandgemälde des Drachenkämpfers Georg an einem Hochhaus ins Auge. Man entdeckt in Chisinau immer wieder Kunst versteckt an Orten, wo man sie nicht erwartet.
Im Anschluss besuchte ich nach einem kurzen Stop auf dem Weihnachtsmarkt die Nationalgallerie. Hier ist von historischer Moldawischer Kunst, über sowjetische Steinbüsten bis hin zu moderner Malerei alles zu finden. Das historische Gebäude wurde sehr schön renoviert und wird einem Kunstmuseum gerecht:
Zur Zeit der Abenddämmerung machte ich mich nochmal auf zu einem verlassenen Ort und zwar einem Himmelsobservatorium. Dieses befindet sich im Hinterhof der Medizinischen Fakultät und wurde aufgrund der größer werdenen Lichtverschmutzung aufgegeben. Die Stahlkuppel des Betonbaus, von dem nur mehr ie Grundmauern und das Treppenhaus standen, ragte wie ein lebloses Gerippe in den wolkenbehangenen Himmel.
Ich schlich mich bis ganz nach oben in die Kuppel des Observatoriums, wo ich mein Abenessen zu mir nahm und genoss die Aussicht. Vom Observatorium hat man einen atemberaubenden Ausblick über die Stadt.
Anschließend fuhr ich zurück in die Innenstadt zur Statue des Königs Stefan, einem Nationalhelden Moldawiens.
Auch Chisinau besitzt einen Triumfbogen (genau so wie Paris, Bukarest, Tiraspol, oder Astana). Er ist etwas kleiner als z. B. der Bogen in Bukarest aber dafür umso schöner weihnachtlich geschmückt. In verbindung mit den vorbeifahrenden Bussen konnte ich tolle Langzeitaufnahmen machen. Ich würde dem Triumfogen einen Score von 8 von 10 Prestigebauten geben, wenn ich ihn ranken würde. Wenn man im Zentrum ist, sollte man ihn auf jeden Fall mal gesehen haben.
Hinter dem Triumfbogen befindet sich die Kathedrale der Geburt des Herrn und vor dieser ein Glockenturm. Als ich ankam, wurde gerade eine Melogie im Glockenturm gespielt. Der Glockenspieler war sehr tallentiert und einige Menschen blieben stehen, um den Klängen zu lauschen. Ich weiß es nicht, ob nur wegen des Orthodoxen Weihnachtsgottesdienst gespielt wurde, oder ob es regelmäßig ist, aber selbst wenn man keinem Glockenspiel lauschen kann, ist die Kathedrale einen Besucht wert.
Direkt gegenüber auf der anderen Seite des Triumfbogens vor dem Parlament befindet sich ein Weihnachtsmarkt. Genau genommen gibt es in Chisinau drei große Weihnachtsmärkte, der vor dem Parlament, einer vor der Nationalgallerie und ein dritter am Opernplatz. Sie befinden sich somit alle in Laufweite voneinander. Meinen letzten Abend habe ich am Weihnachtsmarkt ausklingen lassen. Es gibt viel verschiedenes leckeres Blätterteiggebäck wie Croissants und Baklava, diverse Glühweine, Stände mit Handwerkskunst und für alle, die es etwas wilder mögen, stehen mehrere Fahrgeschäfte vom Karusell bis zur Reifenrutsche zur Verfügung.
Insgesamt war mein Besuch in Chisinau ein unvergessliches Erlebnis und ich empfehle jedem, die Stadt zu besuchen, um ihre Schönheit und Geschichte Moldawiens zu erleben. Wer im Sommer kommt, kann sich im "La Izvor"-Park etwas abkühlen und von Chisinau gibt es Busverbindungen in alle Teile des Landes, von den Weinbergen im Norden bis zur abtrünigen Provinz Transnistrien im Osten.

Karte der Sehenswürdigkeiten in Chisinau:

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