Warschau - Kunst, Kultur und Geschichte

Polen, Januar 2024

Dieses Silvester habe ich beschlossen, mit dem neu eingeführen Nachtzug nach Warschau zu fahren.

Mit dem Nachtzug? Ja das geht - Seit 2023 besteht eine neue Direktverbindung von München nach Warschau. Der Zug kann online über die Webseite der ÖBB gebucht werden. Ich bin mit dem ICE bis nach Linz gefahren und nach dem Abendessen in den Nachtzug umgestiegen. Der Nachtzug besitzt komfortable Dreierabteile. Am Ende der Wagons gibt es eine Toilette und eine Dusche. Im Dreierabteil gab es einen Kleiderschrank, ein (defektes) Waschbecken, sowie für jeden zwei Snacks, Wasser und Orangensaft. Zum Frühstück gab es Brot mit Käse und Marmelade und Tee oder Kaffee. Gegen Neun Uhr kam der Zug in Warschau Gdańska an. Das Ticket hat 90€ gekostet. Seit Dezember 2023 wurde das Buchungssystem für Nachtzüge der ÖBB umgestellt. Diese haben nun ähnlich wie ICEs in Deutschland eine flexible Preisgestaltung je nach Nachfrage, es lohnt sich also oft, rechtzeitig zu buchen.

Tag 1

Mein erstes Ziel war der Militärfriedhof. Man erreicht ihn leicht mit der S-Bahn und einem kleinen Spaziergang. Die Öffentlichen Verkehrsmittel in der Stadt können alle mit einem Ticket genutzt werden. Es gibt zwei Zonen: Zone 1 ist die Stadt und Zone 2 das Umland, alle von mir gelisteten Orte liegen in Zone 1. Das Ticket kann am Automaten gekauft werden, für Studierende gibt es 50% Rabatt. Wer viel Sightseeing macht, für den bietet sich eine Zeitkarte (z. B. 48-Stunden-Ticket) an. Man muss das Ticket initial einmal stempeln, Stempelautomaten befinden sich in S-Bahnen, Bussen, Straßenbahnen und Eingängen zur U-Bahn. Wer auch die U-Bahn nutzt, dem empfehle ich, das Ticket in der U-Bahn zu stempeln, da die Schranken am Eingang zur U-Bahn manchmal anderswo gestempelte Tickets nicht richtig erkennen und einziehen.

Auf dem Powązki Militärfriedhof liegen viele bekannte Offiziere, Soldaten und andere wichtige Persönlichkeiten begraben, so zum Beispiel Rejewski Mariam Adam, ein berühmter Mathematiker, welcher im zweiten Weltkrieg den Enigma-Code entschlüsselte. Die Gräber von Piloten sind oft mit Propellern gekennzeichnet. Eine weitere Besonderheit auf manchen Polnischen Friedhöfen sind kleine Bänke am Grab. Diese laden zum Verweilen ein, oft kommen Angehörige an wichtigen Jahrestagen wie z. B. dem Geburtstag des Verstorbenen zusammen, um am Grab zu verweilen, ein Picknik zu machen oder einfach nur über die Vergangenheit zu philosophieren. Ich finde das eine tolle Tradition, die wir auch in Deutschland einführen könnten.

Der Friedhof bietet eine tolle Möglichkeit, der hektischen Stadt etwas zu entkommen. Nur wenigie Haltestellen vom Bahnhof und der Tibetgallerie entfernt. Es finden sich viele Eichhörnchen auf dem Friedhof, welche erstaunlich zutraulich sind.

Mein zweiter Halt ist der Warschauer Kulturpalast, ein beeindruckendes Relikt aus der sozialistischen Ära. Kein Klassisches Hochhaus, aber ein Klassizistisches. Das ehemalig höchste Gebäude Europas ist omnipresent in der Stadt Man mag ihn oder man hasst ihn, aber man kommt nicht um den Kulturpalast herum.

Im Kulturpalast befinden sich mehrere Museen, so das Naturgeschichtliche Museum oder das Technikmuseum. Das Technikmuseum befindet sich im linken Seitenflügel des Hochhauses. Es besitzt eine interessante kleine Sammlung historischer Computer. Es ist jedoch ein relativ kleines Museum. Die meisten staatlichen Museen haben einen Tag in der Woche mit freiem Eintritt, für Studenten gibt es auch Rabatt.

Gegen Mittag besuchte ich den Bio-Basar. Dieser befindet sich auf dem Gelände einer ehemaligen Fabrik, deren historische Backsteingebäude und Hochöfen perfekt in die moderne urbane Landschaft integriert wurden. Über die Weihnachtsfeiertage hatten eine Geschäfte geschlossen, trotzdem fand ich was gutes zu Essen.

Mein erster Tag endet mit einem Besuch des Weihnachtsmarktes am Schlossplatz. Ein überdimensionaler perfekt geformter bunt leuchtender Kegel getarnt als Christbaum schmückt den Marktplatz. Der Weihnachtsmarkt hat über Weihnachten und Silvester noch geöffnet, während andere Weihnachtsmärkte in Deutschland schon meist geschlossen haben. Bereits am Nachmittag füllt sich die Königsstraße und gegen Abend ist so viel los, dass kaum noch ein Durchkommen ist.

Es gibt Kinderkaruselle und entlang der alten Schlossmauern befinden sich mehrere Weihnachtsmarktstände, die Preise sind etwas günstiger als in Deutschland, es ist jedoch über die Feiertage sehr viel los.

Etwas abseits vom Weihnachtsmarkt hat man auf dem Piłsudskiego-Platz einen tollen Ausblick auf den CBD (central business district) und den bunt beleuchteten Kulturpalast. Zentral auf dem Platz befindet sich auch ein Kriegsdenkmal mit ewiger Flamme und auf der Gegenüberliegenden Seite an einer Hauswand eine Bronzetafel zu Ehren von Rejewski, womit sich der Kreis zum Besuch des Militärfriedhofs schließt.

Tag 2

Den zweiten Tag beginne ich mit einer Straßenbahnfahrt in den Süden der Stadt. Hier befindet sich der Wilanów-Palast. In der Weihnachtszeit ist der Schlossgarten nachts bunt beleuchtet, er wird als einer der schönsten Gärten Polens beschrieben. Doch nach den vielen fast schon Epilepsieauslösenden Lichtern vom Kegelchristbaum am Vorabend war der nur vom Licht der Sonne beleuchtete Schlossgarten eine willkommene Abwwechslung.

Der weitläufige Schlossgarten bietet viele schöne versteckte Orte und bietet immer wieder neue Perspektiven auf das im winterlichen Morgenlicht leuchtende gelbe Schlossgebäude mit seinen zahlreichen Ornamenten, abgerundet duch das durch die Elemente grün gewaschene Kupferdach und vier halbnackte Statuen.

Im nördlichen Teil des Schlossgarten befindet sich eine alte Wasserstation aus roten Ziegelsteinen. Sie liegt idyllisch gelegen an einem ehemaligen Seitenarm der Weichsel. Das Sonnenlicht lässt die Backsteine farbenfroh erstrahlen.

Etwas weiter im Wilanów-Schlossgarten verbindet eine Backsteinbrücke eine kleine Insel mit dem Rest des Gartens. Die Bogenbrücke spiegelt sich im kalten Wasser der Weichsel

nur etwa 10 Minuten Fußweg durch ein Neubauviertel entfernt vom Schlossgarten befindet sich die Kirche Opatrzności Bożej (Dt.: Tempel der Göttlichen Vorsehung), ein moderner Sakralbau, welcher den liebevollen Spitznamen "Die Zitronenpresse" bekommen hat. Diese Kirche sollte eigentlich bereits 1791 gebaut werden, ist jedoch offensichtlich wesentlich moderner.

Die Planungen für den Bau verzögerten sich und nahmen erst nach 200 Jahren im Jahre 1989 Fahrt auf. 2022 wurde der Sakralbau mit seiner aus einem Beton- und Stahlgerippe bestehenden Kuppel fertiggestellt. Zwischen der Steinfassade eingelassene Glasfenster lassen viel Licht in das Innere und runden den modernen Kubistischen und nachts schön beleuchteten Bau ab. Ein Muss für jeden Architekturfanatiker.

Mittags besuche ich die "Hala Koszyki", eine restaurierte Markthalle, die zu einem modernen kulinarischen und kulturellen Zentrum umgewandelt wurde. Hier kann man lokale Spezialitäten und internationale Köstlichkeiten genießen, aber es ist etwas teuer und Touristisch aber dafür schön weihnachtlich dekoriert.

Ein weiterer interessanter Ort auf meiner Reise ist das moderne Geldzentrum Slawomir. Das Museum widmet sich der Geschichte des Geldes und beinhaltet neben alten historischen Münzen und Scheinen aus verschiedensten Epochen auch allerlei Informationen und das sehr modern aufgearbeitet. Man hat sogar die Möglichkeit, mal einen Goldbarren hochzuheben. Aufgrund der Sicherheitsvorkehrungen darf nur eine gewisse Anzahl an Personen gleichzeitig in das Museum. Dafür ist der Eintritt frei. Das Museum ist groß und sehr ausführlich und dabei sehr modern gestaltet, so dass es nie langweilig wird. Die Ausstellung beinhaltet zudem mehrere Eastereggs.

Als nächstes wollte ich das Militärmuseum neben dem Nationalmuseum besichtigen. Dieses ist jedoch in die Zitadelle umgezogen. Auf dem ehemaligen Gelände stehen nun noch alte Jets, Geschütze , Panzer und weitere Militärfahrzeuge. Das Areal wird von einem Wachmann kontrolliert, welche mir freundlicherweise erlaubte, mir ein paar Exponate anzuschauen und Fotos zu machen. Das neue Museum in der Zitadelle habe ich nicht gesehen, dafür aber das Museum der Geschichte Polens, welches sich ebenfalls auf dem Gelände der Zitadelle befindet.

Vom Museum der Geschichte Polens war ich am meisten enttäuscht. Obwohl ich am Tag des freien Eintritts kam, war nicht viel los. Das Gebäude ist sehr modern und verschwenderisch, hier scheint viel Geld rein geflossen zu sein, welches meiner Meinung nach wo anders besser aufgewendet worden wäre. Die Ausstellung wurde erst 2023 eröffnet und besteht aus nur einem einzigen Raum und davon ist die Hälfte darüber, wie sie das Museum gebaut und die Ausstellungsstücke beschafft haben. Viele Teile des Museums sind noch eine halbe Baustelle und deshalb nicht zugänglich. Positiv zu bemerken sind die bequemen Sitzgelegenheiten und das kostenlose WLAN.

Kunstliebhaber sollten einen Abstecher zur Galeria Zachęta machen. Diese renommierte Kunstgalerie präsentiert zeitgenössische polnische Kunst in verschiedenen Ausstellungen. Es handelt sich hierbei hauptsächlich um moderne Kunst. Ich habe auch hier einen Tag mit freiem Eintritt erwischt, es war entsprechend viel los aber definiv sehenswert.

Eines meiner Highlights war das POLIN Museum der Geschichte der polnischen Juden. Dieses Museum erzählt die Geschichte der jüdischen Gemeinschaft in Polen von den Anfängen bis zur Gegenwart. Es war mir umgerechnet 10€ Eintritt das teuerste Museum. Dafür bekommt man einen richtig guten Audioguide und kann sehr gut in die Geschichte des Warschauer Ghettos abtauchen.

Tag 3

Den dritten Tag in Warschau begann ich wieder mit einem Schlosspark, diesmal mit einem Spaziergang durch den Łazienkipark, welcher den Łazienkipalast, ein hübsches Wasserschloss südlich der Altstadt umgibt. Der weitläufige Park besitzt unter anderem einen chinesischen Pavilion, welcher meiner Meinung nach sehr gut und realistisch gelungen ist. Der Park ist im Gegensatz zum Wilow-Schlosspark kostenfrei und optimal für einen morgendlichen Spaziergang.

Mein absolutes Highlight war das Neon-Museum. Diese einzigartige Sammlung präsentiert leuchtende Neonzeichen, die einst das Stadtbild von Warschau und anderer Städte schmückten. Die farbenfrohen und kreativen Neonlichter erzählen Geschichten vergangener Zeiten und verleihen der Stadt einen nostalgischen Charme. Es ist meiner Meinung nach das beste Museum in Warschau und bietet sich als Ausgangspunkt für eine Streetart-Tour durch das inzwischen gentrifizierte Praga-Viertel an.

Mein Besuch Warschaus endet mit einem Besuch im Marie Curie Museum. Hier wird das Leben und Werk der berühmten polnisch-französischen Physikerin gewürdigt. Das Museum befindet sich in der Altstadt im ehemaligen Wohnhaus Marie Curies. Es ist ein entsprechend kleines Museum welches sich hauptsächlich mit der Lebensgeschichte befasst. Es beinhaltet natürlich auch ein paar Ausstellungsstücke radioaktiver Mineralien und Uranglas.

Sightseeing-Karte von Warschau:
Die von mir besuchten Orte sind Rot markiert, weitere interessante Orte habe ich in Blau markiert.
Für die Streetart-Tour habe ich hier einen extra Artikel geschrieben.

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