Sightseeing in Stockholm
Schweden, Dezember 2024
Die Sonne hat einen etwa 11-Jährigen Zyklus. 2025 wurde das 11-Jährige Maximum der Sonnenaktivität vorhergesagt und somit eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, Polarlichter zu sehen. Nachdem bereits im Sommer 2024 Polarlicher bei mir zu Hause in Süddeutschland sichtbar waren, wollte ich noch weitere sehen und beschloss, über Weihnachten und Neujahr in den Norden zu fahren.
Aktuell verkehrt ein täglicher Nachtzug zwischen Berlin und Stockholm mit Zwischenstop in Hamburg. Nach einer 5 Stündigen ICE Fahrt erreiche ich Hamburg. Dort nutze ich die Umstiegszeit, um auf den Weihnachtsmarkt zu gehen und mir bisschen die Stadt anzuschauen.
Der Nachtzug nach Stockholm besitzt Sitzwagen sowie Schlafwagen mit 4er und 6er Abteilen und kann über die DB gebucht werden. Wenn man mit Interrail fährt, benötigt man ein Zusatzticket. Die Fahrt verläuft ruhig, mit gut einer Stunde Verspätung erreiche ich in der Früh Stockholm.
Nachdem ich mein Gepäck deponiert habe, beginne ich mit einer kleinen Stadtrundtour. Neben den klasischen Touristenhotspots möchte ich euch vorallem besondere und ausgefallene Orte zeigen. Als erstes kommen wir an einer gleichgeschlechtlichen Fußgängerampel vorbei. Seit 2017 wurden im Rahmen der Stockholmer LGBTQ Pride 47 Ampeln temporär modifiziert, welche gleichgeschlechtliche Paare zeigen, welche zusammen stehen oder laufen. Ziel des Kunstprojekts war es, Achtsamkeit für die LGBTQ Community zu erhöhen. 2020 entschied man sich dazu, Ampeln an sechs Kreutzungen im Stadtgebiet permanent umzugestalten.
Die Standorte der Kreuzungen sind: Mäster Samuelsgatan / Drottninggatan; Hornsgatan / Mariatorget; Ringvägen / Skansbrogatan; Telefonvägen / Mikrofonvägen (Telefonplan); Norr Mälarstrand / Polhemsgatan; und Karlavägen / Nybrogatan. Für 100.000 SEK (gut 9000€) wurden die Ampeln von Künstler:innen umgestaltet.
Folgen wir der Straße weiter richtung Osten, kommen wir an einen großen Platz mit einem Haus, dessen Fassade eine große Uhr ziert und in dessen Erdgeschoss sich ein Modegeschäft befindet. Es handelt sich um Norrmalmstorg 2, hier ...
Folgen wir der Straße weiter Richtung Osten, kommen wir an einen großen Platz mit einem Haus, dessen Fassade eine große Uhr ziert und in dessen Erdgeschoss sich ein Modegeschäft befindet. Es handelt sich um Norrmalmstorg 2. Auf den ersten Blick wirkt das Gebäude unscheinbar – ein typisches Innenstadtgebäude in bester Lage. Doch genau hier spielte sich im Sommer 1973 ein Banküberfall ab, der weltweite Bekanntheit erlangte und sogar einen psychologischen Begriff prägte: das Stockholm-Syndrom.
Damals versuchte Jan-Erik "Janne" Olsson, bewaffnet mit einer Maschinenpistole, die Filiale der Kreditbank zu überfallen. Die Polizei reagierte sofort, es kam zu einem Schusswechsel, bei dem ein Beamter verletzt wurde. Olsson nahm vier Geiseln und verbarrikadierte sich mit ihnen im Tresorraum.
Er forderte, dass sein Freund Clark Olofsson, ebenfalls ein Krimineller, aus dem Gefängnis geholt und zu ihm gebracht werde – was tatsächlich geschah. Über mehrere Tage hinweg spielte sich ein seltsames Drama ab: Die Geiseln begannen, Sympathien für ihre Entführer zu entwickeln und kritisierten stattdessen das Vorgehen der Polizei.
Einer der Polizisten musste sich auf Befehl des Täters sogar auf einen Stuhl setzen und "etwas singen" – seine Wahl fiel auf Lonesome Cowboy von Elvis. Die Situation eskalierte mehrfach, aber am Ende wurde niemand dauerhaft verletzt. Das Verhalten der Geiseln war für die damalige Zeit so ungewöhnlich, dass der Psychiater Nils Bejerot das "Norrmalmstorgssyndrom" beschrieb – später international als "Stockholm-Syndrom" bekannt.
Heute erinnert an Ort und Stelle nichts mehr direkt an den Banküberfall, die meisten Leute gehen ungeachtet an dem Gebäude vorbei. Nur die wenigsten kennen die tragische Geschichte, die sich hier ereignete.
Als nächstes begeben wir uns in die historische Altstadt, Gamla Stan. Zwischen engen Gassen, Pflastersteinen und jahrhundertealten Gebäuden fühlt man sich hier wie in ein anderes Jahrhundert versetzt. Am zentralen Platz, dem Stortorget – auf Deutsch "Großer Platz" – auf dem gerade der Weihncahtsmarkt stattfindet, fällt ein dunkelrotes Gebäude besonders auf. Es ist mit weißen Steinen durchzogen, die sich von der roten Fassade abheben.
Auf den ersten Blick wirkt das Haus einfach nur hübsch und gut erhalten – doch es rankt sich eine düstere Legende darum. Es handelt sich um das sogenannte Ribbinska Huset. Einer Überlieferung nach soll jeder der weißen Steine in der Fassade für den Kopf eines ermordeten schwedischen Adeligen stehen.
Im Jahr 1520 lud Christian II. von Dänemark, frisch gekrönter König von Schweden, schwedische Adelige zu einem Versöhnungsbankett ein. Was als Friedensgeste begann, endete im sogenannten Stockholmer Blutbad: Über 80 Menschen wurden öffentlich enthauptet – ein Akt, der Christian den Beinamen „Kristian Tyrann“ einbrachte.
Die blutige Tat sollte seine Macht sichern, hatte aber den gegenteiligen Effekt. Einer der wenigen Überlebenden war Gustav Vasa, dessen Vater bei dem Massaker ermordet wurde. Er floh, sammelte Unterstützer und begann einen Aufstand, der zwei Jahre später zur Unabhängigkeit Schwedens führte. Gustav Vasa wurde zum ersten König eines freien Schweden.
Das Ribbinska Huset selbst wurde um 1479 errichtet. Die weißen Steine, die an die Opfer erinnern sollen, wurden erst später – im Jahr 1628 – in die Fassade eingearbeitet. Ob die Geschichte mit den Köpfen wahr ist, weiß niemand genau. Aber sie hat sich tief ins kulturelle Gedächtnis eingebrannt.
Direkt nördlich vom Stortorget, nur ein paar Schritte vom Ribbinska Huset entfernt, stößt man auf ein eher ungewöhnliches Relikt aus vergangenen Zeiten – ein öffentliches Urinal. Es steht unscheinbar in einer kleinen Gasse namens Källargränd, direkt neben dem Gebäude der alten Börse, in dem heute das Nobelmuseum untergebracht ist.
Das Urinal stammt aus dem Jahr 1890 und gilt als das älteste noch erhaltene in ganz Schweden. Während sich die Stadt ringsherum im letzten Jahrhundert stark verändert hat, blieb dieses stille Örtchen einfach stehen und kann bis heute genutzt werden.
Es wurde damals recht aufwendig gestaltet – vermutlich, weil sich in der Umgebung gut situierte Herren aus Politik und Wirtschaft bewegten, die entsprechende Ansprüche hatten. Und auch wenn es „nur“ ein Urinal ist, sieht es mit seinem gusseisernen Aufbau und den dekorativen Elementen fast schon elegant aus – zumindest für das, was es ist. Im Laufe der Zeit wurde das Urinal nicht nur zum Ort dringender Bedürfnisse, sondern taucht auch in historischen Aufzeichnungen als Treffpunkt für Männer mit gleichgeschlechtlichen Interessen auf.
Von der Källargränd aus schlendern wir weiter durch die engen Gassen der Altstadt über das Kopfsteinpflaster. Nur wenige Minuten später stehen wir vor der vermutlich kleinsten Sehenswürdigkeit schwedens: Järnpojke, der "Eisenjunge".
Mit gerade einmal 15 Zentimetern Höhe gilt er als das kleinste öffentliche Statue Schwedens. Die kleine Bronzefigur sitzt auf einem Metallblock in einem stillen Kirchhof hinter der Finnischen Kirche – etwas versteckt, abseits der üblichen Touristenpfade. Wer ihn nicht gezielt sucht, läuft schnell daran vorbei.
Der Junge sitzt mit angezogenen Knien und schaut nachdenklich in den Himmel. Im Winter trägt er oft selbstgestrickte Mützen und Schals, im Sommer sieht man ihn gelegentlich mit einer Sonnenbrille oder einem winzigen Sonnenschirm. Viele legen Münzen aus aller Welt um ihn herum – aus Aberglaube, als Glücksbringer oder einfach aus Zuneigung. Es heißt, wer ihm über den Kopf streicht oder ihm ein kleines Geschenk dalässt, hat Glück.
Geschaffen wurde die Figur 1967 vom schwedischen Künstler Liss Eriksson. Er lebte lange Zeit mit Blick auf genau diesen Innenhof und wollte irgendwann etwas hinterlassen, das die stille Ecke mit Leben füllt. Ursprünglich nannte er das Werk "Der Junge, der den Mond betrachtet". Heute kennt ihn jeder einfach nur als Järnpojke.
Wir verlassen die Insel mit der historischen Altstadt wieder Richtung Norden. Nach wenigen Minuten zu Fuß erreichen wir das moderne Zentrum Stockholms rund um den Sergels torg. Besonders auffällig sind hier die fünf Hochhäuser am Hötorget, die sogenannten Hötorgsskraporna. Sie entstanden im Rahmen einer groß angelegten Skyline-Initiative der 1960er Jahre, mit dem Ziel, Stockholm ein neues, internationales Gesicht zu geben. Die gläsernen Türme mit ihrer klaren, funktionalistischen Architektur stehen in starkem Kontrast zur verspielten Backsteinromantik der Altstadt – und markieren gleichzeitig den Wandel Stockholms von der historischen Handelsstadt zur modernen Hauptstadt.
Die Gebäude wurden damals als Symbol für Fortschritt, Offenheit und wirtschaftliche Stärke errichtet – Ausdruck eines neuen Selbstverständnisses im Nachkriegsschweden. Zur selben Zeit verfolgte Stockholm ein ambitioniertes verkehrliches Konzept. Die Stadt sollte autogerecht werden – breite Straßen ersetzten alte Gassen, Fußgänger wurden auf eigene Ebenen verbannt. Die neue City, rund um den Sergels torg, wurde nach dem Vorbild amerikanischer Innenstädte entworfen: autogerechte getrennte Verkehrsflüsse, zentrale Hochhäuser, alles klar strukturiert. Die Architektur war nüchtern – und das Tempo hoch.
Doch was damals als modern galt, sorgte schnell für Kritik. Viel historische Bausubstanz ging verloren, und mit ihr ein Stück Identität. Die Hochhausgruppe blieb bestehen, doch drumherum entstanden Verkehrsadern wie die Klarabergsleden oder die Essingeleden, die bis heute zu den meistbefahrenen Straßen Schwedens zählen. Erst mit der Stauabgabe 2006 und einer Rückbesinnung auf den öffentlichen Raum kam langsam ein Umdenken.
Heute stehen die Hötorgsskraporna sinnbildlich für eine Zeit des Aufbruchs – aber auch für die Risiken großer Eingriffe ins Stadtbild. Sie erzählen von Visionen, vom Glauben an Technik und Fortschritt, aber auch davon, wie wie man für die Autogerechte Stadt ein ganzes Stadtviertel durchschnitten hat.
Nachdem wir das moderne Zentrum Stockholms rund um den Sergels torg erkundet haben, steigen wir in die Tunnelbana – die Stockholmer U-Bahn. Sie gilt nicht nur als Rückgrat des öffentlichen Nahverkehrs, sondern auch als längste Kunstgalerie der Welt. Rund 90 von über 100 Stationen wurden von Künstler:innen gestaltet. Die U-Bahn wird so selbst zur Sehenswürdigkeit – eine unterirdische Ausstellung, die täglich Millionen Menschen unbemerkt durchqueren.
Wir starten die Tour durch die Stockholmer U-Bahn auf der grünen Linie, an der Station Hötorget. Diese gehört zu den ältesten der Stadt und wurde bereits 1950 eröffnet. Ursprünglich war der Bahnhof schlicht gefliest, bis die Künstlerin Gun Gordillo 1998 eine verspielte Neoninstallation anbrachte, die heute die Decke illuminiert. Der Rest ist eine Zeitreise in die 50er-Jahre: alte Leuchtreklamen, Emaille-Schilder und türkisfarbene Fliesen. Retro pur.
Nur drei Stationen weiter erreichen wir Thorildsplan – eine Station oberirdisch auf einem Viadukt. Hier hat der Künstler Lars Arrhenius die Fliesen zum digitalen Leben erweckt: In Pixel-Art tummeln sich Super Mario, Pac-Man und Space Invaders an den Bahnsteigwänden. Eine Hommage an die frühen Videospiele – und definitiv ein Highlight für alle, die mit Game Boy und C64 groß wurden.
Wir fahren eine Station zurück nach Fridhemsplan, wo wir in die blaue Linie Richtung Norden umsteigen. Der Umstieg selbst ist bemerkenswert: Ein fast 200 Meter langer Tunnel verbindet die Bahnsteige der grünen und blauen Linie. Die Station selbst ist eine Art Sammelsurium – Schiffsmodelle, Flügel, ein riesiger Anker – es fühlt sich an wie eine Wundertüte aus Technikgeschichte und Fantasie.
Wenige Minuten später erreichen wir Solna Centrum – eine der visuell beeindruckendsten Stationen des gesamten Netzes. Die Decke ist leuchtend rot, die Wände saftig grün – fast wie ein Sonnenuntergang über einem Wald. Die Künstler Karl-Olov Björk und Anders Åberg wollten hier Umweltfragen sichtbar machen: Entwaldung, ländliche Abwanderung, politische Konflikte. In kleinen, teils skurrilen Szenen erzählen sie von der schwedischen Gesellschaft der 70er-Jahre – inklusive wütendem Elch, der einen Wanderer attackiert.
Wir kehren um und fahren eine Station zurück zur Haltestelle Västra skogen. Hier befindet sich nicht nur ein unscheinbarer Umsteigepunkt im Netz, sondern auch die längste Rolltreppe Schwedens. Ganze 66 Meter misst sie. Am oberen Ende snd die Wände noch hell und glatt gestaltet, so werden sie nach unten hin immer rauer und dunkler. Zur Mitte hin unterbricht ein auffälliges Mosaikmuster kurz die Fahrt
Nach einer guten Minute – so lange dauert die Fahrt – ist man fast unten angekommen. Der Bahnsteig liegt nochmal ein paar Meter tiefer und wird über eine zweite, etwas kürzere Rolltreppe erreicht.
Wir fahren eine weitere Station mit der Blauen Linie nach Rådhuset, direkt unter dem Stockholmer Justizpalast. Die Station wirkt wie eine Ausgrabungsstätte – grober Naturfels, in Ockerfarben gestrichen, aufgrund ihrer grellen Farben ist sie vermutlich eine der bekanntesten U-Bahn-Stationen Stockholms.
Zwei Stationen weiter erreichen wir Kungsträdgården, eine der künstlerisch reichsten Stationen überhaupt. Hier werden abgerissene Gebäude aus Stockholms Vergangenheit zitiert: barocke Skulpturen, römische Säulen, ein Mosaik in italienischem Stil. Das Farbschema – grün, weiß und rot – erinnert an einen verwunschenen Garten. Und tatsächlich: Zwischen all dem Stein leben hier zwei ganz reale Arten, die sonst nirgends vorkommen – eine Spinnenart und ein unterirdisch wachsender Pilz.
Zurück zur zentralen Umsteigestation T-Centralen, dem Knotenpunkt aller drei Linien. Besonders auffällig ist hier der blaue Bahnsteig der Linie 3. Der Künstler Per Olof Ultvedt gestaltete ihn mit floralen Mustern in Blau und Weiß – beruhigend, fast meditativ. An anderen Stellen sieht man stilisierte Bauarbeiter – ein Tribut an die Menschen, die diese Tunnel einst erschufen.
Wir wechseln auf die rote Linie und fahren zur Station Stadion. Diese war eine der ersten „Höhlenstationen“, bei der der nackte Fels nicht verkleidet, sondern als Teil des Designs erhalten wurde. Um dem düsteren Eindruck entgegenzuwirken, entschieden sich die Künstler Åke Pallarp und Enno Hallek für ein Motiv der Hoffnung: ein riesiger Regenbogen, eingebettet in hellblauen Himmel. Heute gilt die Station als Symbol für Diversität – nicht zuletzt durch ihre Nähe zur jährlichen LGBTQ-Pride-Parade, die hier oft startet.
An der Tekniska Högskolan, der Station der Königlich Technischen Hochschule, wird es wissenschaftlich. Hier trifft man auf Darstellungen klassischer Elemente, auf Leonardo da Vinci, Kopernikus – und auf Newtons Apfel. Der hängt als überdimensionale, gläserne Skulptur von der Decke – leicht versteckt, durch ein Gitter hindurch.
Zum Abschluss erreichen wir Universitetet, die Station der Universität Stockholm. Hier erzählen azulejoartige Fliesenbilder die Geschichte von Carl von Linné, dem berühmten Botaniker und Begründer der modernen Taxonomie. Ergänzt werden die Szenen durch die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte – in Wort und Bild. Die Fliesen stammen aus einer Werkstatt in Lissabon, der Heimat dieser besonderen Keramiktradition.
In der Nähe der Station befindet sich das Naturhistoriska Riksmuseet mit dem angeschlossenen Cosmonova-Kino – und genau dort steht ein besonderes Modell: die Erde im Swedish Solar System. Dabei handelt es sich um das größte maßstabsgetreue Modell unseres Sonnensystems weltweit, verteilt über ganz Schweden. Die Sonne – ein riesiger Globus – befindet sich im Stadtzentrum in der Avicii Arena, früher bekannt als Globen. Die inneren Planeten – Merkur, Venus, Erde und Mars – sind alle entlang der roten U-Bahnlinie erreichbar. Die Erde selbst steht im Foyer des Cosmonova, das bei meinem Besuch leider geschlossen war.
Mein Weg führte mich anschließend in den Süden der Stadt zur Sonne, dargestellt durch die imposante Avicii Arena (ehemals Stockholm Globe Arena) im Stadtteil Johanneshov. Die kugelförmige Arena hat einen Durchmesser von 110 Metern und eine Höhe von 85 Metern – damit war sie bis zur Eröffnung der „Sphere“ in Las Vegas das größte kugelförmige Gebäude der Welt. In der maßstabsgetreuen Darstellung des Sonnensystems entspricht die Arena der Sonne im Maßstab 1:20.000.000. Am besten erreicht man sie mit der U-Bahn bis Gullmarsplan, von dort sind es nur fünf Minuten zu Fuß. Direkt beim Eingang zum Ticketbüro im Erdgeschoss gibt es eine kleine Ausstellung mit Informationen zum Modell – inklusive eines Steinreliefs des Künstlers Eric Ståhl, das das gesamte Sonnensystem darstellt.
Als nächstes fahren wir zum Modell des Planeten Merkus. Das Modell des Merkur liegt etwa 2,9 Kilometer entfernt im Innenhof des Stockholm Stadsmuseums am Slussen. Der rund 25 Zentimeter große Planet steht nur wenige Meter vor dem Museumseingang, unterhalb einer steinernen Treppe – und wird sogar beheizt, passend zu seiner Nähe zur Sonne.
Die Venus findet man rund 5,5 Kilometer von der Arena entfernt auf dem Gelände des AlbaNova University Centers, öffentlich zugänglich in einem kleinen Park an der Adresse Roslagstullsbacken 29. Das etwa 60 Zentimeter große Modell steht ruhig und isoliert mit einer Infotafel – und gibt dabei ein eindrückliches Gefühl dafür, wie leer das Weltall zwischen den Planeten tatsächlich ist. Vom U-Bahnhof Tekniska högskolan sind es etwa zehn Minuten zu Fuß.
Rund 11,6 Kilometer nördlich der Sonne liegt Mars im Einkaufszentrum Mörby Centrum, direkt erreichbar vom gleichnamigen U-Bahnhof. Das etwa 35 Zentimeter große Modell befindet sich im oberen Geschoss in der Nähe eines Ausgangs, inmitten der alltäglichen Umgebung eines Shoppingcenters.
Während die inneren Planeten noch innerhalb der Stadtgrenzen liegen, sind die äußeren – Jupiter, Saturn, Uranus, Neptun und Pluto – über ganz Schweden verteilt. Jupiter steht in Uppsala (ca. 40 km entfernt), Saturn in Umeå, Uranus in Lövstabruk bei Gävle, Neptun in Söderhamn und der Rand des Sonnensystems wird durch eine Skulptur vor dem Institut für Weltraumphysik in Kiruna, rund 300 km nördlich des Polarkreises, markiert. Ein Modell, das nicht nur astronomische Dimensionen erfahrbar macht, sondern auch die Weite des Landes selbst.
Beim Planeten Mars endet meine kleine Stadtbesichtigung durch Stockholm. Ich fahre zurück ins Zentrum, denn von hier geht es bald weiter – mein nächstes Ziel liegt weit im Norden, fast schon am Polarkreis. Über Weihnachten möchte ich eine mehrtägige Hüttenwanderung machen und nehme dafür den Nachtzug, der von Stockholm über Luleå bis nach Narvik fährt – über die zweitnördlichste Bahnstrecke der Welt. Es ist inzwischen fast 15 Uhr und wird langsam dunkel.
Auf dem Weg nach Norden habe ich noch einen Zwischenstopp in Gävle eingeplant. Dort werden zur Adventszeit jedes Jahr Zwei riesige Julböcke aus Stroh aufgestellt. Einder davon auf dem zentralen Platz Slottstorget – und dieser zieht nicht nur Einheimische, sondern auch internationale Aufmerksamkeit auf sich. Er steht meist nicht lange unversehrt: In den meisten Jahren wird er angezündet. Eine bizarre, Brandstiftungsserie, die dem Julbock weltweite Bekanntheit eingebracht hat.
Die Stadt tut einiges, um ihn zu schützen – Wachen, Webcams, sogar eine spezielle Imprägnierung gegen Feuer. Trotzdem: Immer wieder schafft es jemand, ihn heimlich in Flammen aufgehen zu lassen. 2006 hielt der Bock dank Brandschutzmaßnahmen stand, doch schon zwei Jahre später wurde darauf verzichtet – viele fanden, das Imprägniermittel lasse ihn zu künstlich aussehen. Inzwischen kann man ihn über einen Livestream auf YouTube beobachten, tausende Menschen schauen zu – und posten in den Chat, dass sie ihn brennen sehen wollen. 2023 blieb er ausnahmsweise stehen, auch wenn hungrige Dohlen ihn mit ihren Schnäbeln ziemlich zugesetzt haben. 2024 als ich dort war, überstand der Strohbock wie durch ein Wunder unbeschadet die Weihnachtszeit. Mal schauen, was nächstes Jahr passiert.