Schneeschuhwanderung zur Brängstjärnskojan Open Wilderness Hut

Schweden, Dezember 2024

Nach zwei Tagen in Stockholm wird es Zeit für etwas anderes: Stille, Natur, Schnee. Ich breche auf in Richtung Norden, zu einer mehrtägigen Hüttenwanderung. In Schweden gibt es sogenannte Open Wilderness Huts, einfache Not- oder Übernachtungshütten, die kostenlos genutzt werden dürfen. Sie sind spartanisch ausgestattet – meist mit einem Holzofen, Holzbänken und einer Feuerstelle. Alles, was man braucht, bringt man selbst mit. Auf der Seite vindskyddskartan.se sind viele dieser Hütten mit Karte, Bildern und Bewertungen zu finden.

Da man in Schwedens Fernzügen eine Sitzplatzreservierung braucht und über die Weihnachtsfeiertage die meisten Züge bereits ausgebucht waren, konnte ich nicht den direkten Nachtzug nach Luleå nehmen, sondern musste in Härnösand umsteigen.

Härnösand ist eine kleine Stadt an der Ostseeküste, eher ruhig, eher unaufgeregt. Ich laufe durch das Stadtzentrum vorbei am bunt geschmückten Weihnachtsbaum. Aus einer Bar ertönt Rasputin, ansonsten wirkt die Stadt wie verlassen.

Fußläufig vom Stadtzentrum erreichbar ist ein kleiner Hausberg mit einem Skilift. Der Skilift war bereits geschlossen und die Schneekanonen liefen. Ich wanderte den Zubringerweg zum Gipfel Oben befindet sich ein kleines Windrad und eine Aussichtsplattform, von dort hat man einen tollen Überblick über die Stadt.

Mein Zug aus Stockholm hat etwas Verspätung, aber zum Glück gibt es im Bahnhof in Härnösand eine beheizte Wartehalle. Früh um halb sieben werde ich vom Zugbegleiter in Boden geweckt: „Sitzen Sie richtig?“ Der Zug wird hier geteilt und die meisten fahren Richtung Narvik in den Norden weiter. Nach einer halben Stunde setzt sich der Zug wieder in Bewegung. Kurz vor halb Acht Uhr morgens, mit gut einer Stunde Verspätung rollen wir im stockdunklen Luleå ein, nur eine Hand voll Leute steigen hier aus. Es hat gut -20°C und der Schnee klirrt unter minen Winterstiefeln.

Ich habe viereinhalb Stunden, bis mein Bus fährt, der mich raus aufs Land bringt. Nach den zwei anstrengenden Tagen in Stockholm und der langen Zugfahrt, beschließe ich kurzerhand, noch ins Schwimmbad und eine Schwedische Sauna zu gehen und mich etwas aufzuwärmen.

Ich nehme den nächsten Stadtbus nach Gammelstad, einem Vorort von Luleå. Dort befindet sich das einzige Bad, welches heute an einem Sonntag offen hat. Der Eintritt ins Schwimmbad und Sauna kostet 70 SEK (umgerechnet 6,37 €). Ich bin früh der erste im Bad und habe das ganze Bad für mich alleine.

Wenn man in Schweden in die Sauna geht, sind ein paar Unterschiede zu beachten. Es gibt keine gemischten Saunas, es gibt nur eine für Männer und eine für Frauen. In der Sauna setzen sich die meisten nicht aufs Handtuch, sondern direkt auf die Bank, das Handtuch kann meistens draußen bleiben. Und in der Sauna wird mehr geredet, als in Deutschland. Aufgüsse macht der Älteste in der Sauna oder derjenige, der am nähesten am Ofen sitzt.

Nach gut zwei Stunden bin ich zurück nach Luleå gefahren. An der Bushaltestelle gibt es ein kleines Drehrad mit Reflektoren. Wenn man möchte, dass der Bus anhält, dreht man dieses, dass die Reflektoren sichtbar sind, so sieht der Busfahrer in den langen dunklen Nächten im Winter von Weitem, dass jemand an der Haltestelle steht.

An manchen Haltestellen, welche etwas abseits zur Straße liegen, gibt es auch Haltewunschtasten. Drückt man diese, so leuchtet die Taste rot auf und ein Signalton ertönt. Gleichzeitig geht an der Straße ein Licht an, welches dem ankommenden Busfahrer signalisiert, dass jemand an der Haltestelle steht und wartet. Den Knopf soll man ein paar Minuten vor geplanter Abfahrt des Busses drücken, das Licht bleibt automatisch zehn Minuten lang an.

Von Luleå aus fahre ich gut eine halbe Stunde mit dem Bus entlang der E4 bis zur Ortschaft Jämtön. In der Nähe von Jämtön im Wald befindet sich die Hütte Brängstjärnskojan (Koordinaten 65.859074, 22.544794), zu der ich eine Schneeschuhwanderung machen möchte.

Von der Haltestelle benötigt man knapp eine halbe Stunde bis Jämtön.

In der Ortschaft zweigt die Straße Metträskvägen scharf nach links ab und führt in den Wald hinein. Ich folge den frischen Spuren eines Schneemobils und komme so recht zügig voran.

Die Kälte macht mir etwas zu schaffen, ich bin diese Kälte nicht gewöhnt. Beim Ausatmen gefriert mein Atem zu einer Wolke winziger Eiskristalle, die sich wei ein Schleiher über mein Gesicht, meinen Schal und meine Kaputze legt.

Gut eine halbe Stunde folge ich den Spuren des Schneemobils, bis rechts eine kleine Abzweigung kommt. Die Spuren vom Schneemobil gehen geradeaus weiter. Ich ziehe mir meine Schneeschuhe an und stapfe durch den Pulverschnee. Trotz Schneeschuhen versinke ich bis zu den Knien im frischen Schnee. Nach etwa 750 Metern und einer halben Stunde sehe ich rechts ein kleines Schild, welches in den Wald zeigt. Zwischen den Bäumen kann man einen Trampelpfad unter dem Schnee erahnen, der sich irgendwo im Wald verliert. Ich folge dem Pfad hinunter zur Hütte, dabei laufe ich mehr querfeldein zwischen den Bäumen, das GPS ständig im Blick.

Nach knapp 20 Minuten lichtet sich der Wald und eine Lichtung mit einem zugefrohrenen See tut sich auf. Eingebettet am Waldrand steht ein schneebedecktes rustikales Holzhaus. Endlich bin ich angekommen. Ich klopfe mir den Schnee von der Kleidung und halte kurz inne. Es ist seelenruhig, kein Wind, keine Vögel, kein Verkehrslärm, kein Internet. Nur der Wald, der Schnee, die Hütte und ich mitten drin.

Es ist bereits 14 Uhr und es wird von Minute zu Minute dunkler. Vor der Brängstjärnskojan-Hütte befindet sich eine Bank mit einer zugeschneiten Feuerstelle. Daneben ein Rot-Weiß gestrichener Holzschuppen und dahinter ein Plumpsklo. Das Holzlager wird von der örtlichen Forstverwaltung, welche sich auch um die Hütte kümmert regelmäßig aufgefüllt. Es ist nicht mehr viel Holz da, aber es reicht aus. Ich hacke etwas Holz klein und trage es in die Hütte.

Die Eingangstüre besitzt kein Schloss, nur ein einfacher Holzriegel, der verhindert, dass der Wind die Tür aufbläst. Die Hütte besteht aus einem großen Raum mit Holzbänken rings herum. In der Mitte steht ein kleiner Holzofen. Im Eck steht ein kleiner Tisch mit einer Teekanne und einem Hüttenbuch. Ich habe Kerzen und Ofenanzünder mitgebracht. Ich mache mir mit den Kerzen ein Licht und entzünde ein Feuer. Die ganze Hütte ist auf -25°C tiefgefrohren. Es dauert gut vier bis fünf Stunden, bis es halbwegs warm ist und ich meine Jacke ausziehen kann. Ich hänge meine Sachen über den Ofen zum Trocknen.

Zum Abendessen gibt es Instant-Kartoffelbrei mit gerösteten Zwiebeln und dazu Tee und Plätzchen, welche ich aus Deutschland mitgebracht habe. Ich taue mir Schnee in einem Topf auf und koche ihn auf dem Ofen ab. Nach dem Abendessen beschließe ich, noch einen kleinen Spaziergang über den zugefrohrenen See zu machen. Am Horizont kann man leicht die Lichtverschmutzung der Stadt Luleå erkennen.

Richtung Westen sehe ich Polarlichter am Himmel, erst ein leichtes helles Schimmern, welches leicht mit einer Wolke zu verwechseln ist, dann beginnt der Nachthimmel immer stärker grünlich zu leuchten. Es ist das erste mal in meinem Leben, dass ich so kräftige Polarlichter sehe. So schnell wie sie gekommen sind, verschwinden sie auch wieder.

Ich gehe zurück in die Hütte, inzwischen ist es wohlig warm, ich habe mir einen große Stapel Holz für die Nacht zusammengelegt und richte mir aus den Sitzkissen der Hütte einen weichen Schlafplatz her und kuschel mich in meinen Schlafsack. Im Ofen knistert das Feuer.

Am nächsten Morgen frühstücke ich und lösche das Feuer. Anschließend kehre ich die Hütte raus und trage mich ins Hüttenbuch ein, bevor ich mich auf den Weg zurück zur Bushaltestelle mache. Heute geht es weiter über die Grenze nach Finnland. Über Weihachten möchte ich noch weitere Hütten in Lappland besuchen.


Weitere Artikel

© Veit Götz 2012 - 2025
Impressum
Datenschutz
Statistiken
Spenden