Dampfloks in Sandaoling

China, August 2018

Ich hatte in Deutschland schon viel über Orte in China gelesen, an denen noch Dampflokomotiven im Alltag eingesetzt werden. Ich fuhr bereits im Vorjahr bei der touristisch genutzen Strecke bei Shixi und habe die Dampfloks bei Dandong an der Grenze zu Nordkorea gesehen. Für dieses Jahr habe ich mir die Loks bei Sandaoling vorgenommen.
Update 2022:
Die Dampfloks in Sandaoling gehören von nun an der Geschichte an, der Betrieb wird eingestellt.
Ich kam am Morgen mit dem Nachtzug aus Jiayuguan in Kumul (哈密市) an. Mein Fahrrad hatte ich drei Tage vorher per Zugpost vorgeschickt, da man in China das Fahrrad zusammengebaut nicht im Zug mitnehmen darf. Ich musste ein paar Stunden warten, bis das Postbüro am Bahnhof öffnete, aber konnte dann mein Fahrrad unversehrt abholen. Nach einem kurzen Frühstück von einem Straßenstand habe ich mich mit 10 Litern Wasser im Gepäck auf den Weg durch die Wüste Richtung Sandaoling gemacht.
Die Strecke beträgt knapp 80 km. Es war Anfang September und entsprechend heiß. Der Weg war gesäumt von endlosen Weinfeldern, welche durch unterirdische jahrtausende alte Kanäle von den Gletschern im Norden des Tals bewässert werden. Gerade war Erntezeit und ich lies mir die Gelegenheit nicht nehmen, ein paar Trauben direkt vom Bauern zu kaufen.
Am Straßenrand lagen die Trauben zum Trocknen in der Sonne. Die Region ist bekannt für eine Rosinen, welche weltweit exportiert werden.
Die Straße war frisch geteert und in einem guten Zustand. Es gab außerhalb der Stadt keinen Radweg, aber es war kaum Verkehr. Bei der Ortschaft Tugeman (吐格曼) kreuzte ein Fluss die Straße und es tat sich eine kleine grüne Oase in der sonst so trockenen Landschaft auf.
Zwischen Liu Shuquan und Sandaoling sah ich dann die ersten Eisenbahnschienen. Über diese Schienen wird die Kohle aus dem Tagebau nach Kumul gebracht, wo sie im Kohlekraftwerk verfeuert wird.
Es gab in der Region eine große Militärpräsenz. Ich wurde bereits bei meiner Ankunft am Bahnhof in Kumul nach meiner genauen Aufenthaltsdauer, der Adresse und dem Zweck meines Aufenthalts gefragt. Die Polizei überprüft bei jedem Ankömmling die Papiere. Desweiteren befindet sich überall in den Straßen Videoüberwachung. In Sandaoling am Ortseingang befand sich wieder eine Straßensperre. Erst wurde ich durchgewunken, doch als ich ein paar hundert Meter später kurz Pause machte, um einen Schluck Wasser zu trinken, kamen sie mir mit Blaulicht hinterher. Fünf Soldaten stiegen mit Gewehren aus und kontrollierten meine Personalien. Ich musste zudem die Bilder auf meiner Kamera vorzeigen und ich wurde gefragt, ob ich ein Spion sei. Nach meiner Rückkehr nach Deutschland erfuhr ich, dass sich in Sandaoling mehrere Militärbasen befinden und sich hier auch der Ausgangspunkt zum chinesischen Atomwaffentestgelände Lop Nur befindet.
Ich kam gegen Vier uhr am Tagebau an. Es war wie ein riesiges Loch in dem sonst flachen Tal. Eine Bahnstrecke schlängelte sich am Rand entlang in die Tiefe. Ich machte Brotzeit und wartete auf die erste Dampflok, welche nach knapp eineinhalb Stunden vorbeikam.
Die Lok transportierte leere Wagons aus dem Tagebau nach oben.
In Sandaoling gab es zum Zeitpunkt meiner Reise kein Hotel, welches ausländische Touristen empfangen durfte. Ich entschloss deshalb zu zelten. Mein Zelt baute ich illergalerweise auf der ersten Ebene unterhalb der Abbruchkante an der Ostflanke des Tagebaus auf.
Als es schon langsam dunkel wurde, kehre die Lok rückwärts in den Tagebau zurück, diesmal waren keine Wagons angehängt.
Ich ging recht bald schlafen, da es ein anstrengender Tag war. Ich hatte zwar gehofft, dass am Abend nochmal eine Dampflok vorbei kommt, jedoch blieb mein Warten vergebens.
Nachts sah man in Richtung Süden die Lichter der Kohleumladestation Nanquan hell leuchten. Hier befindet sich auch das Betriebswerk mit den Werkstätten, welche ich leider nicht besichtigen durfte.
Am Morgen wurde ich vom Geräusch einer heranfahrenden Lok geweckt. Die Dämmerung begann gerade, doch es war noch sehr dunkel. Man sah, wie die Lok im Dunkeln bei jeder Radumdrehung Funken sprühte. Sie war voll mit Kohle geladen und schaffte es nur gerade so, die Steigung zu erklimmen. Der Fahrer hat das Rote Licht meiner Kamera entdeckt und leuchtete mit der Taschenlampe in meine Richtung. Es konnte aber zum Glück mich und mein Zelt nicht entdecken, da es hinter einem Steinhaufen versteckt war.
Ich betrachtete den Sonnenaufgang, während ich mir zum Frühstück einen Haferbrei machte.
Nach dem Frühstück machte ich mich auf den Weg in die Stadt zum Marktplatz. Dort wollte ich mir noch Proviant für die Rückfahrt nach Kumul kaufen. Der Marktplatz war ringsrum von einem hohen Eisenzaun umgeben und wurde von chinesischem Sicherheitspersonal mit Schlagstöcken bewacht.
Es herrschte reges Treiben. Am Markt gab es alles von frischem Obst und Gemüse über Brot bis hin zu handgeknüpften Teppichen. Die Waren waren auf Planen und Kartons ausgelegt. Ich kaufte mir nochmal köstliche Trauben und ein saftiges Fladenbrot und machte mich auf den Rückweg nach Kumul.
Insgesamt war die Fahrt ein einzigartiges und einmaliges Erlebnis. Es ist schade, dass es die Dampfloks nun nicht mehr gibt.

Karte von Sandaoling:

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