Objekt 1161 - Der Gorbachev Bunker
Belarus, August 2024
In einem abgelegenen Waldstück circa 6,5 km nordwestlich von Porazava (Поразава) in der belarussischen Region Grodno befindet sich ein weitgehend unbekanntes, aber strategisch bedeutsames Überbleibsel der sowjetischen Militärarchitektur: Objekt 1161 (Spitzname "Gorbachev Bunker"). Der massive unterirdische Komplex war als Kommandopunkt der Vereinten Streitkräfte des Warschauer Pakts vorgesehen und spiegelt die militärischen Planungen und Bedrohungsszenarien des späten Kalten Krieges wider. Der Bunker wurde nie fertiggestellt oder genutzt, zählt aber zu den aufwendigsten militärischen Infrastrukturbauten, die auf dem Gebiet des heutigen Belarus errichtet wurden.
Objekt 1161 wurde ab 1986 unter der Leitung des sowjetischen Verteidigungsministeriums gebaut. Es sollte im Kriegsfall als Hauptkommandostelle für das westliche Operationsgebiet dienen – insbesondere für Einsätze im Rahmen eines möglichen Konflikts mit der NATO. Es war direkt der zentralen Führung der Vereinigten Streitkräfte des Warschauer Pakts unterstellt und für den durchgehenden Betrieb unter Kriegsbedingungen konzipiert.
Die Anlage besteht aus zwei untereinander verbundenen, tief in den Boden eingelassenen Hauptbunkern:
- Block A war der eigentliche Kommandobereich. In ihm sollten sich:
- der zentrale Befehlsraum,
- Arbeits- und Besprechungsräume,
- Unterkünfte,
- medizinische Einrichtungen sowie
- eine eigene Kantine befinden.
- Block B war für technische Funktionen ausgelegt. Er umfasste:
- Dieselgeneratoren für die Notstromversorgung,
- Wasseraufbereitungsanlagen,
- Klimatisierungs- und Belüftungssysteme mit ABC-Schutz (atomar, biologisch, chemisch),
- Treibstoff- und Abwassertanks,
- Wartungseinrichtungen.
Objekt 1161 war baugleich mit Objekt 1180, einer nahezu identischen Bunkeranlage, die auf dem Gebiet des heutigen Moldawien errichtet wurde, welche ich Anfang 2024 besuchen wollte, was jedoch aus logistischen Gründen leider nicht geklappt hat. Beide Anlagen folgten einem standardisierten Konstruktionsmuster, das speziell für Kommandoposten auf Armee- und Frontstabsebene entwickelt worden war. Der parallele Bau ähnlicher Objekte in verschiedenen Sowjetrepubliken diente der strategischen Redundanz und operativen Sicherheit im Kriegsfall.
Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 wurde der Bau abrupt gestoppt. Zu diesem Zeitpunkt war Objekt 1161 zu etwa 95 % baulich abgeschlossen, allerdings weitgehend ohne technische Ausstattung. Bereits angelieferte Aggregate und Geräte wurden teilweise wieder abtransportiert. In den folgenden Jahren blieb das Gelände zunächst unter militärischer Bewachung, was den Verfall verzögerte. Ab 2010 wurde die Sicherung aufgegeben, und das Areal wurde Ziel von Plünderungen. Metallteile, Kabel, Türen und technische Komponenten wurden systematisch entwendet. Im Jahr 2011 begannen staatliche Stellen mit einer Teilzerstörung und -verfüllung der Anlage, um Unfälle und illegale Zugänge zu verhindern. Die oberirdischen Gebäude wurden abgetragen und über den Bunker ein Blechdach gebaut und mit Sand bedeckt.
Die Zufahrtsstraße zum Bunker könnte heute auch ein beliebiger Feldweg sein. Man erwartet nicht, dass sie zu einem so bedeutenden Relikt der militärischen Infrastruktur des kalten Krieges führt.
Im Wald zweigt ein Betonplattenweg ab, einst versperrte eine Schranke den Weg, die Soldaten, die das Gebiet einst überwachten, hatten einen Schießbefehl. Heute versperren einige aufgeschüttete Erdhügel den Weg, um Schrottsammler fern zu halten.
Das Areal frei zugänglich und wird nach und nach von der Natur zurückerobert. Von oben kann man recht gut die Umrisse von Block A (links) und Block B (rechts) erkennen.
Am Eingang zum Bunker mache ich eine kurze Pause. Von weitem höre ich, wie sich Motorräder nähern. Es ist eine Gruppe junger Männer aus einem Dorf in der Nähe. Wir beschließen, den Bunker gemeinsam zu erkunden.
Ein Seiteneingang wurde von lokalen Schrottsammlern ausgegraben, gerade groß genug, dass man sich liegend hindurchquetschen kann.
Direkt hinter dem Eingang geht es ca. 7 Meter in die Tiefe, man muss aufpassen, dass man nicht abrutscht. Über uns befindet sich das Blechdach, welches 2011 mit Sand bedeckt wurde.
Wir befinden uns im Personaleingang, der jedoch nie fertig gestellt wurde. hier waren zudem die Belüftung, Kommunikationsequipment sowie Wasser und Abwasserversorgung für den Bunkerkomplex vorgesehen. Rechts hinten im Bild ist die Außenwand des Block B (nördlicher Block) zu sehen
Wir klettern den Personaleingang hinunter. Im Bunker ist es angenehm kühl. Durch den Eingang scheint ein bisschen Licht, ansonsten ist es fast schon unheimlich still und finster. In der Ferne hört man etwas Wasser tropfen.
Über ein paar Holzbretter gelangen wir vom Personaleingang in den Block B.
Die Stahlverstärken Betonwände waren dafür ausgelegt, einem direkten Atomschlag standzuhalten.
In jedem der 10 Stockwerke gibt es einen Mittelgang, von welchem die verschiedenen Räume nach rechts und links abzweigen.
In Block B waren die technischen Anlagen vorgesehen. Hier läuft die Lüftungsanlage zusammen, deren Rohre den gesamten Bunker durchziehen.
Der wohl gefährlichste Teil ist der Überfang von Block B in Block A. Wo einst ein Übegang war, verbindet heute ein maroder Holzsteg ohne Geländer die beiden Bunker. Dazwischen geht es knapp 20 Meer in die Tiefe.
Block A ist in einem ähnlichen Zustand. Fast alles von Wert wurde bereits geplündert. Nur die Lüftungsrohre und ein paar Schaltschränke sind noch vorhanden.
Die Räume wurden großteils leer geräumt und die Farbe blättert von den Wänden.
Fast genauso gefährlich wie der Übergang zwischen den Bunkern gestaltet sich das Treppenhaus. Jeder der beiden Bunker hat zwei Treppenäuser welche sich jeweils am gegenüberliegenden Rand befinden. Das Metallgeländer ist verostet und die Holzstufen sind morsch oder fehlen teilweise vollständig.
Vorsichtig steigen wir weiter hinunter in den Bunker, die Luft riecht modrig und steht förmlich. Bei jedem Schritt hallt es durch den ganzen Bunker.
Im Untergeschoss Nr 8 ist Schluss für uns, die untersten beiden Stockwerke -9 und -10 stehen unter Wasser. Hier unten schwimmen alte Plastikflaschen und weitet Unrat.
Wir beschließen, wieder nach oben zu laufen. Als wir zurück im Personaleingang sind, sehen wir erstmals wieder etwas Tageslicht.
Die Motorradgruppe verabschiedet sich und ich suche mir einen ruhigen Zeltplatz. An Rand des Geländes finde ich einen alten Holzhaufen, ich sammle mir ein paar Pilze und mache mir noch ein gemütliches Lagerfeuer.
Quellen und weitere Infos:
https://meridian28.com/report/kpovd.html
https://sozh.info/obekt-1161-chto-skryvaet-sekretnyjj-bunker-gorbacheva-v-belorusskikh-lesakh/
https://www.youtube.com/watch?v=p00g5IGjBfw