Łódź - Polens industrielles Erbe

Polen, Januar 2024

Łódź (gesprochen Loudsch) ist eine postindustrielle Großstadt im Zentrum Polens. Ich hatte ursprünglich gar nicht vor, hier einen Zwischenstop einzulegen, kann es aber jedem wirklich empfehlen.

Die Stadt hat eine reiche jüdische Geschichte. Vor dem zweiten Weltkrieg war ein Drittel der Bevölkerung Jüdisch. Im zweiten Weltkrieg wurden diese jedoch massenhaft nach Krakau ins KZ Plaszow gebracht. In Łódź selbst wurde ein Kinder- und Jugend KZ (Jugendverwahrlager Litzmannstadt) eingerichtet. Sämtliche Synagogen der Stadt wurden vernichtet. Trotz der starken Dezimierung der Stadtbevölkerung und der Zerstörung durch Deutsche und sowjetische Bomber konnte sich die Stadt erholen und erreichte 1988 ihren Höhepunkt. Jedes Jahr findet in Łódź das Festival der Kulturen Stadt.

Łódź ist eine Stadt im Wandel. Nach dem Fall der Sowjetunion und dem einhergegangenen Niedergang der Textilproduktion in der Region schrumpfte die inwohnerzahl um knapp 20% auf heute 687 Tausend Einwohner. Die Arbeitslosenquote stieg rapide an und die Stadt war quasi pleite.

Die Stadt musste sich neu finden und dies geschah durch einen gewaltigen Umbau. Die 1892 fertiggestelle Fabrik von Izraela Poznańskiego, gleich nördlich des Stadtzentrums gelegen und einst eine der größten Fabriken der Stadt wurde nach der Insolvenz 1992 großteils geplündert. Eine Französische Invetmentfirma kaufte das Areal auf und entwickelte die alten Backseinhüllen zu einem heute "hippen" Einkaufszentrum mit Restaurants, Museum, einem Hotel, Kletterhalle, Kino und weiteren Attraktionen wie eine Eislaufbahn im Winter.

Das neue Einkauffszenrum (Manufaktura) ist bequem per Straßenbahn zu erreichen. Es gibt zwei Tarifzonen. Zone 1 umfasst das Stadtgebiet und Zone 2 Vororte und die umliegende Gegend. Für SIghtseeing bietet sich ein 48-Stunden Ticket (Zone 1) an, welches am Automaten an den Bahnhöfen gekauft werden kann.

Ein kleiner Teil der Textilfabrik wurde in ein Museum umgewandelt, welches sich mit der Geschichte der Fabrik beschäftigt. Es handelt sich um ein recht kleines Museum und es ist relativ schlecht gekennzeichnet. Man muss durch einen Seiteneingang und ein backsteineres Treppenhaus i den zweiten Stock, wo das Museum zwei Räume einnimmt. Es gibt wesentlich größere und umfangreichere Textilmuseen in der Stadt.

Neben der Fabrik in einem ehemaligen Schloss befindet sich das frisch renovierte Stadtmuseum. Im Erdgeschoss erfährt man etwas über die wichtigen Persönlichkeiten der Stadt. Im Obergeschoss kann man die historischen Schlosszimmer besichtigen, inklusive dem Tanzsaal, der auch heute noch für Veranstaltungen genutzt wird und im Untergeschoss befindet sich eine interaktive Ausstellung zur Geschichte der Stadt, von der Gründung, über die Industrialisierung, dem 2. Weltkrieg, dem Aufschwung in der Volksrepublik Polens bis zum Fall des Eisernen Vorhangs.

Eine weitere Fabrik, die 1879 ursprünglich als Hutfarbik gegründete einstige firmę w Towarzystwo Akcyjne Wyrobów Kapeluszowych Herman Schlee (Herman Schlee Hutprodukte AG), später Enkev Polska SA überstand zwar den Fall des Eisernen Vorhangs wurde jedoch 2007 verlegt um Platz für den Bau einer sechsspurigen! Straße, der al. Rodziny Scheiblerów zu machen. Mich erinnert das an die USA, welche zwar den 2. Weltkrieg überstanden, dann aber selbst ihre Städte zerstört haben, um Platz fürs Auto zu machen.

Ein Teil der Fabrik wurde stehen gelassen und beherbergt heute ein Kulturzentrum (City of Culture). Ich kam leider zu spät an, weshalb dieses schon geschlossen hatte.

In den letzten Jahren wurden immer mehr Straßen umgebaut und mit Radwegen, sitzgelegenheiten oder schönem Kopfsteinpflaster ausgestattet, wobei es natürlich kein Vergleich mit z. B. den Niederlanden ist. Obwohl viele Menschen zu Fuß unterwegs sind, fehlt eine ordentliche Fußgängerzone. Eine Zentrale Straße in der Stadt ist weihnachtlich dekoriert und auf einem Platz steht ein Weihnachtsbaum. Nur im Sommer ist diese Straße eine temporäre Fußgängerzone.

Trotzdem lädt die Stadt zum Flaneren ein, in den zahlreichen Seitenstraßen kann man immer etwas entdecken, wie die Pasaż Róży, eine Passage durch den Hinterhof des ehemaligen Hotels "Polski" an der Ulica Piotrkowska 3, dessen Wände durch ein 800 m² großes Spiegel-Mosaik verziert wurden. Das Projekt wurde mit viel Aufwand on den Jahren 2013 bis 2014 geschaffen. Rosa, die Tochter des Künstlers erholte sich zu diesem Zeitpunkit von Augenkrebs und die Passage soll das Erlebnis, nach langer Zeit, endlich wieder sehen zu können, widerspiegeln.

In den vielen Hinterhöfen, in welchen sich früher die Łódźer Hinterhofmärkte befanden, gibt es heute Streetart zu entdecken. So zum Beispiel das Wandgemälde von der Gruppe Etam Cru und Robert Proch auf dem ehemaligen Gelände von OFF. Das 700m² große Gemälde mit dem Titel „Enjoy the silence“ wurde 2016 über einen Zeitraum von 8 Tagen gemalt und kann von der Roosevelta-Straße aus besichtigt werden.

Gleich auf der Gegenüberliegenden Straßenseite befindet sich ein weiteres Streetart-Projekt mit der Bezeichnung „Język migowy“ (Zeichensprache). Es zeigt vier große Hände in Schwarz-Weiß, welche verschiedene Zeichen sarstellen.

Das Denkmal für den Namenlosen Elektriker (Lampiarz-Denkmal) wurde 2007 eingeweiht und gehört zur Galerie der großen Skulpturen von Łódź. Es zeigt einen Elektriker auf einer Leiter mit einer Glühbirne in der Hand an einer historischen Straßenlaterne. Kein Wunder, dass es vom Elektrizitätswerk Łódź gespendet wurde. Das lebensgroße Denkmal reiht sich ein die die Liste der Denkmäler der großen Persönlichkeiten von Łódź. Es befindet sich in der Piotrkowska-Straße 37, vor dem Wohnhaus von Dawid Szmulewicz. Neben dem Lampenmann gibt es noch fünf weitere Skulpturen:

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