Zugfahrt von Banja-Luka nach Prijedor
Bosnien und Herzegowina, September 2022
Züge und der Balkan, das sind zwei Themen, die nur schwer zusammen passen, eine Leidensgeschichte geprägt von nationalen Konfliken, chronischer Unterfinanzierung, Investitionsstau und Korruption.
So besitzen Albanien, Bosnien-Herzegowina und Kosovo keine einzige internationale Zugverbindung. Lediglich zwischen Serbien und Montenegro verkehrt einmal Täglich ein Nachtzug.
In den Hauptstädten Belgrad und Tirana wurde sogar der Hauptbahnhof abgerissen um Platz für mehr Prachtstaßen und Bürokomplexe zu schaffen. Viele Strecken wurden stillgelegt und die verbleibenden werden mehr als stiefmütterlich behandelt. Trotzdem versuche ich, im Urlaub möglichst viel mit dem Zug zu fahren. So kam ich auf die Idee, auf meiner Fahrt von Sanski Banja Luka nach Most das erste Teilstück nach Prijedor mit dem Zug zu fahren.
Erstaunlicherweise sind die Fahrpläne in Google Maps eingepflegt. Ich kam am Mittag am Bahnhof an und kaufte mir ein Ticket. Pro Tag fahren zwischen den 45km Luftlinie voneinander entfernten Strecke nur zwei Züge. Die Bahnhofshalle mit ihrem Marmorboden war stril geputzt wie in einem Krankenhaus. Ich war der einzige Fahrgast weit und breit. Nachdem ich noch etwas Zeit hatte, beschloss ich, mir noch etwas Proviant für die nächsten Ausflüge zu kaufen.
In der Nähe des Bahnhofs befindet sich ein Markt. Hier gibt es alles von frischem Knoblauch und Schwarzbeeren direkt vom Bauern bis hin zu Fahrradschläuchen und Werkstattbedarf. Ich habe mir etwas Obst, Gemüse für einen gemischten Salat und ein Brot gekauft und habe dazu noch eine Orange geschenkt bekommen.
Zurück am Bahnhof haben ein paar abgestellte alte Wagons meine Aufmerksamkeit erweckt. Auf Google Maps konnte ich erkennen, dass diese hier schon länger standen.
Die Wägen waren teilweise schon etwas zugewuchert, aber es hat Spaß gemacht, auf diese Art in die Geschichte des Ortes einzutauchen. Ich finde, der Balkan besitzt ein riesiges Potential, wenn die Länder untereinander mehr miteinander arbeiten würden, aber ich sehe auch die vielen ungelösten Probleme, so besteht Bosnien Herzegowina aus drei Staaten mit drei Regierungen, welche nur mühseelig miteinander arbeiten, von internationaler Zusammenarbeit ganz zu schweigen.
Eine Person, die ich gefragt hatte, an welchem Bahnsteig der Zug fahre, antwortete mir, ich solle bloß nicht nach Sanski Most fahren, da der Ort nicht zum serbischen, sondern zum muslimischen Teil des Landes gehöre und die Menschen, so die Aussage, dort sehr böse seien. Ich weiß, es handelt sich hier um eine einzelne Aussage, jedoch hörte ich mehrfach so oder so ähnliche Sätze von verschiedenen Seiten innerhalb des Landes.
Eine halbe Stunde vor Abfahrt wurde die Elektrolok aus dem Depot geholt und mit zwei türkisen Wagons bestückt. Das Prozedere wirkte auch mich wie ein Ritual, welches zwei mal Täglich durchgeführt wurde, um den Zugverkehr nicht gänzlich aussterben zu lassen.
Langsam erschienen die ersten Reisende am Bahnsteig. Ein altes Kyrillisches Hinweisschild verbietet es, vor einfahrenden Zügen die Gleise zu überqueren. In diesem Zusammenhang erscheint es gar nicht mehr so schlecht, dass dies nur zweimal am Tag der Fall ist. Kaum jemand hat die Unterführung verwendet.
Der Zug bestand aus ehemaligen Wagons der Deutschen Bahn. Diese waren in einem besseren Zustand als die der Albanischen Eisenbahn, jedoch immer noch kein Vergleich zu den Zügen in Kroatien. Für die 50 km Strecke braucht er Zug über Zwei Stunden, obwohl die Strecke meistens schnurgerade ist und kaum Steigung aufweist. Aufgrund des schlechten Zustands der Schienen wird man für eine Zugfahrt relativ stark durchgeschüttelt. Die Tür des letzten Wagons stand offen und so nutze ich die Gelegenheit, mich auf das Trittbrett zu setzen und den Fahrtwind und meine Brotzeit zu genießen.
Auch, wenn die Züge in den meisten Balkanstaaten in einem mieserablen Zustand sind, lohnt es sich auf jeden Fall, mit ihnen zu fahren. Es ist problemlos möglich, (in Bosnien Herzegowina und Albanien) sein Fahrrad mitzunehmen und aufgrund des oft auch schlechten Straßenzustands ist eine Zugfahrt sogar manchmal die schnellere Wahl.